Daniil Trifonovs Aufnahmen der vier Klavierkonzerte von Sergei Rachmaninow mit Yannick Nézet-Séguin und dem Philadelphia Orchestra war ein langfristig geplantes Projekt. Das liegt in der Natur der Sache, wenn ein international gefragter Virtuose, ein viel beschäftigter Dirigent und ein großes Orchester zusammenkommen müssen. Doch diesmal waren nicht nur Planung und Umsetzung des musikalischen Miteinanders komplex, auch das visuelle Konzept für die beiden Alben, die später als Gesamtausgabe erschienen, war anspruchsvoll und aufwendig.
Die Bilderwelt für Departure und Arrival ist inspiriert von einem besonderen Aspekt der Biografie des Komponisten. Rachmaninow hatte nämlich für seine winterliche Konzerttour durch die USA und Kanada von November 1922 bis März 1923 einen kompletten Zug gechartert. Komfortabel ausgestattet mit Schlafwagen, Badezimmerabteil und Aussichtswaggon, bot das Gefährt zudem Platz für ein Klavier, sodass Rachmaninow üben konnte, wann immer er wollte. Aus dieser kuriosen historischen Gegebenheit entwickelte das Projektteam die Idee, das Thema Eisenbahn als »Leitmotiv« für die visuellen Elemente der Produktfamilie zu wählen.
Wie auch bei bisherigen DG-Projekten mit Daniil Trifonov war der in New York ansässige Fotograf Dario Acosta der kreative Partner für die Fotosession. Zwischen Acosta und Trifonov hatte sich rasch ein stabiles Vertrauensverhältnis entwickelt, das es dem jungen Pianisten leichter machte, sich vor der Kamera zu öffnen und so Seiten von sich zu zeigen, die sonst eher privat blieben. Gleich für Trifonovs DG-Debüt The Carnegie Recital waren die beiden – am Tag nach dem erfolgreichen Auftritt in dem berühmten Konzertsaal – durch die Straßenschluchten New Yorks gezogen und hatten spielerisch den Stadtorganismus erkundet.
© Dario Acosta / DG
Auch bei den folgenden Soloalben des Künstlers entstanden durch Acosta bemerkenswerte Covermotive, die unterschiedliche Facetten der Künstlerpersönlichkeit Trifonovs zur Geltung bringen.
Für die Fotosession zu den beiden Rachmaninow-Alben reiste das Team im März 2018 nach Südengland. Bei frischen Temperaturen entstanden auf den windigen Gleisen von zwei Museumsbahnhöfen und in historischen Eisenbahnabteilen zahlreiche atmosphärisch dichte Fotografien. Sie zeigen Trifonov zwar in heutiger Kleidung, doch durch das Setting wird sofort das entschleunigte Reisen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts evoziert – so reiste Rachmaninow.
Die hier erstmals veröffentlichten Aufnahmen, welche die Produktmanagerin Nikki Kawamura, den Fotografen Dario Acosta und Daniil Trifonov bei der Arbeit am Set zeigen, verdeutlichen, wie konzentriert und dennoch entspannt die Zusammenarbeit verlief:
Neben den Fotografien war von Beginn an ein Video geplant. Auch dieses sollte durch historische Kostüme und Requisiten den Geist des Reisens zu Zeiten von Rachmaninows reger amerikanischer Konzerttätigkeit atmen. Nach intensiver Recherche fand man ein geeignetes Setting: die historische Eisenbahnstrecke der Cumbres & Toltec Scenic Railroad. Hier fahren Dampfloks, die die beschauliche Höchstgeschwindigkeit von 12 mph (ca. 19 km/h) erreichen und die Reisende in historischen Zugabteilen durch die beeindruckende Landschaft der Rocky Mountains gleiten lassen. Bei großer Hitze drehte man eine Zugfahrt zwischen Osier in Colorado und Chama in New Mexico – ein staubiges Unterfangen, da den Rußschwaden der Lok nicht zu entkommen war. Doch das Team um Michael Joseph McQuilken, Drehbuchschreiber, Regisseur und Kameramann in einem, war trotz der Strapazen hoch motiviert. Alle Beteiligten waren sich einig, an etwas Besonderem mitzuwirken.
Der Hauptdarsteller war Daniil Trifonov selbst. Er bewies nicht nur Schauspieltalent, sondern auch große Offenheit für künstlerische Ideen außerhalb seiner pianistischen Kompetenz: Filmisch erzählt wird der Hitzetraum eines jungen Mannes, der in einem Geisterzug mitfährt, bis ihn ein Schaffner hinauskomplimentiert, da er keine Fahrkarte vorweisen kann. Eine nicht unwesentliche Rolle hat dabei ein anderes Stück Papier, nämlich die sorgfältig gefaltete Zeichnung einer Klaviertastatur. Trifonov spielt den ersten Satz von Rachmaninows Klavierkonzert Nr. 4 in g-Moll auf ihr und im Gegenschnitt auf einem echten Flügel der Marke Fazioli Modell F 183, der mit viel Mühe in den Museumszug gehievt worden war. Das gut zehnminütige Video zeigt den Pianisten als begabten Protagonisten einer komplexen Handlung, die ständig die Realitätsebenen wechselt. Übrigens war der Darsteller des Schaffners im richtigen Leben ein Liebhaber von Klaviermusik, der Alben von Trifonov besaß, ein schönes Detail dieses außergewöhnlichen Kurzfilms, der in der jüngeren Geschichte von Deutsche Grammophon einzigartig ist.