2018, als Deutsche Grammophon ihr 120-jähriges Jubiläum beging, setzte das Label nicht nur mit The Anniversary Edition ein Zeichen in Form einer Sammlung maßgeblicher Aufnahmen von den frühesten Anfängen bis hin zur Gegenwart des Unternehmens.
Die Firma beschenkte sich auch im Grunde selbst, als sie den Künstler Gregor Hildebrandt bat, im Jubiläumsjahr eines ihrer berühmtesten Produkte als Edition neu zu gestalten.
Die Ausgabe der neun Symphonien von Ludwig van Beethoven, die Herbert von Karajan 1961 und 1962 mit den Berliner Philharmonikern aufnahm und die 1963 auf acht Schallplatten in einer repräsentativen Leinenkassette erschien, ist legendär, denn sie ist der erste Zyklus der Beethoven-Symphonien, den Herbert von Karajan für Deutsche Grammophon aufgenommen hat – zwei weitere folgten...
1975–1977:
1982-1985:
… sie war so teuer, dass man sie nur als Vorab-Subskription erwerben konnte …
… sie setzte, und darin liegt ihr größter Wert, aufnahmetechnische und künstlerische Maßstäbe. Bis heute ist dieser Zyklus der Fixstern, an dem sich jede weitere Aufnahme von Beethovens Symphonien messen lassen muss.
Obwohl die Gestaltung der einzelnen Elemente der Ausgabe von 1963 selbst längst zum Klassiker geworden ist, wagte man zum Jubiläum ein Experiment und bat einen zeitgenössischen Künstler, sie neu zu interpretieren.
Dr. Clemens Trautmann, seit 2015 Präsident von Deutsche Grammophon und selbst Sammler von Kunst mit Bezug zur Musik, lud Gregor Hildebrandt ein.
Damit fiel die Wahl auf einen Künstler, dessen Affinität zur Musik sich auch darin zeigt, dass er analoge Datenträger wie Ton- und Videobänder oder Vinyl als Material für seine künstlerische Praxis nutzt. Der 1974 geborene Hildebrandt, seit 2015 Professor an der Akademie der Bildenden Künste München, erhielt Carte blanche und schuf eine durchaus respektvolle Hommage, die jedoch an entscheidenden Stellen auch intervenierte oder Bestandteile ergänzte.
So fertigte er zum Beispiel für jede Symphonie ein Leporello, das mit Kassettenbändern beklebt war, auf die er zuvor das entsprechende Werk aufgenommen hatte. Diese und weitere Elemente kombinierte er zu einem mehrteiligen Kunstwerk, das als Unikat im Besitz des Künstlers verblieb. Adaptiert kam es aber auch als Edition in den Handel, in einer limitierten Auflage von 120 nummerierten und vom Künstler signierten Exemplaren.
Es war eine ziemliche Herausforderung, die handgemachten Elemente des Unikats so zu reproduzieren, dass einerseits der Kunstcharakter gewahrt blieb, andererseits eine Ausführung in der gewünschten Auflage möglich war. Besonders für das Cover musste eine individuelle Lösung gefunden werden, da dies von Hildebrandt völlig neu gestaltet worden war. Zierte die Ausgabe von 1963 noch ein eindrucksvolles fotografisches Dirigentenporträt von Siegfried Lauterwasser, so entschied sich Hildebrandt beim Unikat dafür, die Oberfläche der Box komplett mit den Tonbändern von Musikkassetten zu bekleben. Die Buchstaben sind aus winzigen Schnipseln der weißen Vorlaufbänder von Musikkassetten zusammengesetzt, die Hildebrandt sorgfältig sammelt.
Für die Edition wurde die Schrift in die mit schwarzem Leinen überzogene Oberfläche der Box eingeprägt und mit weißer Farbe gefüllt, sodass ein beinahe mosaikartiger Eindruck entsteht. Und schließlich wurde der Deckel so konzipiert, dass er wie ein Kunstwerk an der Wand präsentiert werden kann.
Mit der Edition erfüllt sich also auch im Visuell-Gestalterischen, was Karajan seinem Label in seinem Dankesschreiben im Musikalischen attestiert hat, als die letzte Aufnahmesession für den Zyklus hinter ihm lag:
»Sie wissen, mit wieviel Liebe und Mühe die Philharmoniker und ich in den sieben Jahren unserer gemeinsamen Tätigkeit immer wieder und hauptsächlich um das Werk Beethovens gerungen haben. Das nun vorliegende Werk wurde jedoch erst im Verein mit Ihrem Aufnahmestab möglich, der nicht nur in seiner eigenen Sparte Meister ist, sondern der auch zutiefst künstlerisch empfindende Menschen umfaßt.«
Hier stellt Gregor Hildebrandt selbst das Projekt vor: